In diesem Jahr wäre der Erfinder der lithographischen Druckkunst Alois Senefelder 250 Jahre alt geworden. Von Offenbach aus wurde die von ihm entwickelte Lithographie als kommerzielle Drucktechnik bereits ab 1800 in die ganze Welt getragen und bis heute gibt es dort Industriezweige, die Druckmaschinen und Farbe herstellen. Grund genug, um in Offenbach – mit Unterstützung der Dr. Marschner Stiftung – die „Druckwerkstatt im Bernardbau“ zu eröffnen. Dort können nicht nur druckgrafisch künstlerische Projekte umgesetzt werden, auch werden museumsrelevante Inhalte für ein Publikum aufgearbeitet und vermittelt. Insbesondere für Kinder und Jugendliche soll die spannende Geschichte und volle Bandbreite grafischer Techniken unter anderem in einem speziellen Workshop-Programm erlebbar gemacht werden.
Die Dr. Marschner Stiftung sprach mit Dominik Gußmann, kommissarischer Leiter der Druckwerkstatt.
DMS: Herr Gußmann, warum sind Sie der richtige Mann für die „Druckwerkstatt im Bernardbau“?
DG: Seit meinem Studienbeginn an der Hochschule für Gestaltung Offenbach war es die Druckgrafik, die im Zentrum meiner künstlerischen Arbeit stand. Dabei waren es zunächst die diversen Verfahren der Radierung, auf die ich mich in der Druckwerkstatt der HfG konzentrierte. Nach einiger Zeit kam als zweites Medium die Lithographie, also der Steindruck, hinzu. Im Rahmen meines Promotionsprojektes, das sich mit der Handschriftlichkeit in der historischen und zeitgenössischen Druckgrafik auseinandersetzt, absolvierte ich ein Auslandssemester an der Akademie der bildenden Künste Wien. Dort intensivierte sich die Beschäftigung mit der Lithographie weiter. Der Steindruck entwickelte sich so zu einem meiner Hauptausdrucksmittel. Seit 2017 führe ich die historische Stangenpresse im Haus der Stadtgeschichte Offenbach vor. Dabei handelt es sich um einen Nachbau der ersten Lithographiepresse Alois Senefelders. Im Rahmen meiner eigenen künstlerischen Arbeit versuche ich Wege zu finden, auch fotografische und digital erzeugte Bilder in den „klassischen“ Steindruck zu integrieren.
DMS: Was ist Ihre dortige Aufgabe?
DG: Im September 2019 bin ich durch das Haus der Stadtgeschichte Offenbach für die Planung und Realisierung der „Druckwerkstatt im Bernardbau“ hinzugezogen worden und habe so im vergangenen Jahr, zusammen mit der Kuratorin im Haus der Stadtgeschichte Katja M. Schneider, die Werkstatt durch alle ihre Phasen der Entstehung begleitet. Meine Aufgabe war zunächst die im Haus der Stadtgeschichte eingelagerte Schenkung „Grafische Werkstatt für Technik und Kunst“ von Klaus Kroner zu sichten. Diese bildet den Grundstock für die „Druckwerkstatt im Bernardbau“. Im Weiteren war mein Aufgabenfeld ein Konzept für die räumliche Aufteilung der Werkstatt zu erstellen, später die Koordination der HandwerkerInnen und die Organisation der Maschinen-, bzw. Druckpressentransporte. Dabei handelt es sich u. a. um eine Krause-Kniehebelpresse für Lithographie des Druckgrafikers Walter Schautz und um die Dauerleihgabe der manroland sheetfed GmbH (zwei historische Buchdruckpressen und eine Kniehebelpresse für Lithographie). Unser Vorgehen im Realisierungsprozess begründete sich auf zahlreiche Gespräche mit diversen Fachleuten für die unterschiedlichen Bereiche der Werkstatt. Hier sind vor allem Eckhard Gehrmann (Lithograph und Mitglied des Vorstands der Internationalen Senefelder Stiftung) und Volker Steinbacher (Werkstattleitung der Freien Druckgrafik HfG) unter vielen anderen zu nennen. Während der Umsetzung der Arbeitszeile für den Bleisatz waren es vor allem die MitarbeiterInnen des Klingspor Museums, die federführend tätig waren. Auch die Erarbeitung eines ersten Finanzierungsplans für zukünftige Workshops oblag mir. Seit Januar 2021 bin ich nun vor allem mit der Erprobung von Arbeitsabläufen und dem Erarbeiten von Workshopangeboten beschäftigt, die aufgrund der Corona-Pandemie aber momentan leider noch nicht stattfinden können.
DMS: Was ist der historische Hintergrund für die Ansiedlung der Druckwerkstatt in Offenbach?
DG: Die „Druckwerkstatt im Bernardbau“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Hauses der Stadtgeschichte Offenbach und des Klingspor Museums. Die Museen stehen im Kern für die Geschichte der Lithographie und die Geschichte der Schriftgießerei hin zum Schwerpunkt Künstlerbuch. Die Druckhistorie der Stadt Offenbach basiert zum einen darauf, dass Offenbach der Standort der Schriftgießerei „Gebr. Klingspor“ war und zum anderen, dass die 1798 von Alois Senefelder entwickelte Lithographie von hier aus als kommerziell genutzte Drucktechnik in alle Welt getragen wurde. Später entstanden in Offenbach große Industriezweige, die Druckmaschinen und Farben herstellten. Bis zum heutigen Tag produziert die manroland sheetfed GmbH Bogenoffsetdruckmaschinen in Offenbach. Daraus ergeben sich die zwei künstlerisch-technischen Schwerpunkte der Werkstatt: Lithographie und Hochdruck / Buchdruck, kombiniert mit den Möglichkeiten Künstlerbücher zu entwerfen und zu binden.
DMS: Was macht die künstlerische Technik der Lithographie aus?
DG: Das Hauptmerkmal der Lithographie ist, dass die Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks größer sind, als bei allen anderen Formen der künstlerischen Druckgrafik. So lassen sich Motive zum einen auf rein zeichnerische Weise umsetzen, so, dass das Resultat wie eine Bleistift- oder Kreidezeichnung wirken kann. Zum anderen ist durch die Benutzung von Lithographietuschen, oder anderer fetthaltiger Substanzen, eine expressiv-malerische Umsetzung möglich. So reihen sich etwa die zahlreichen Lithographien des Malers K.O. Götz nahtlos in dessen großformatige Informell-Gemälde ein. Auch fotografische und digital erzeugte Bilder lassen sich in die Lithographie übertragen und mit malerischen Formen des Steindrucks kombinieren.
DMS: Welche Highlights erwarten die Besucher der Druckwerkstatt?
DG: Neben der wichtigen Aufgabe der Werkstatt die museumsrelevanten Inhalte für das Publikum praktisch erfahrbar zu machen, ist eine Besonderheit der „Druckwerkstatt im Bernardbau“ die Möglichkeit komplexe druckgrafische künstlerische Projekte, bis hin zum Künstlerbuch in Kleinauflage, zu realisieren. Das bedeutet, dass verschiedene grafische Verfahren miteinander kombiniert werden können. So ist es beispielsweise möglich, eine Serie von Lithographien oder Radierungen mit Buchdruck zu kombinieren und die so entstandenen Blätter an der Buchbindezeile zu einem Buch zu binden. Wir bieten nahezu die volle Bandbreite grafischer Techniken von Flach-, Hoch-, und Tiefdruck, über Bleisatz, bis hin zu Buchbinden, die dabei vor allem auch in Kombination zu nutzen sind, an. Diese Fülle an Möglichkeiten soll aber nicht nur einem Fachpublikum offenstehen, sondern für alle Interessierten, und vor allem auch Kindern und Jugendlichen zugänglich sein. Geplant ist ein Workshop-Programm, das zunächst in die jeweiligen Techniken eine umfassende Einführung bieten soll. Weiterführende Kursangebote durch die Werkstattleitung oder durch externe renommierte Künstler*innen werden angeboten. Zusätzlich wäre es wünschenswert eine Form von „Artist in Residency Program“ ins Leben rufen zu können, in dessen Rahmen KünstlerInnen eine bestimmte Zeit in Offenbach leben und in der Werkstatt arbeiten könnten. All diese hier nur angerissenen Punkte sollen dazu beitragen, die „Druckwerkstatt im Bernardbau“ und Offenbach insgesamt als ein Zentrum der zeitgenössischen Druckgrafik und des Künstlerbuches zu etablieren.